Agglutinine und Lektine
Agglutinine im Getreide
Agglutinine, die zur Gruppe der Lektine gehören, sind im Keimling von Getreidekörnern und damit besonders in Vollkornbrot enthalten (man spricht von Weizenkeim-Agglutinin, wheat germ agglutinin). Bei der Weißmehlherstellung werden Keimling und Randschichten der Getreidekörner weitgehend entfernt, weshalb in Weißbrot und Weißmehlerzeugnissen nur relativ wenige Agglutinine enthalten sind. Die Belastung durch Agglutinine betrifft somit vor allem jene, die Vollkornbrot, Müsli und andere Vollkornprodukte essen.
Die Giftwirkung von Agglutininen
Die Giftwirkung von Agglutininen beruht darauf, daß sie sich wie viele andere Lektine an Glykoproteine und Glykolipide der Zellmembranen binden (das lateinische agglutinare heißt anheften). Dadurch verändert sich die Zellfunktion (Sharon 2013, 26 ff.). Agglutinine vermitteln dem Getreidekorn eine erhöhte Resistenz gegenüber Insektenfraß, Bakterien und Schimmelbefall. Im Sinne einer höheren Resistenz wird bei der Züchtung neuer Getreidesorten ein hoher Gehalt an Agglutininen angestrebt.
Zellverklumpung. Agglutinine fördern die Agglutination (Verklumpung) von Zellen, wovon zum Beispiel Blutzellen und Abwehrzellen betroffen sind. Dadurch erhöht sich die Gerinnungsneigung des Blutes und die Abwehrkraft wird geschwächt.
Mitogenetische Stimulation von Lymphozyten. Bestimmte Lektine regen bereits in sehr geringer Konzentration (ruhende und teilungsunwillige) Lymphozyten zu Zellteilung und Vermehrung an. Dadurch werden starke und manchmal überschießende Abwehrreaktionen ausgelöst. Allergien und Autoimmunreaktionen werden verstärkt.
Aktivierte Lymphozyten bilden Lymphokine (Interferone, Interleukine), daraus folgt eine vermehrte Bildung von Immunoglobulin durch die B-Zellen. Es erscheinen vermehrt Effektorzellen (ausdifferenzierte Lymphozyten, zytotoxische T-Zellen, helper and suppressor cells), die spezifische Aufgaben bei der Immunantwort übernehmen.
Lektinvermittelter Zelltod. Zytotoxische T-Zellen (T-Lymphozyten), mitunter auch Makrophagen (Freßzellen), greifen Zellen an und vernichten diese, wenn diese an ihren Membranen Lektine gebunden haben. Man spricht von lektinabhängiger Zellzerstörung.
Spezielle Lektine werden jedoch auch von gesunden Zellen im tierischen Organismus gebildet, wodurch gezielt Tumorzellen markiert und diese anschließend von T-Zellen und Makrophagen vernichtet werden. – Lektine in der Nahrung können diese Funktion stören und lassen das Risiko für Krebserkrankungen ansteigen. Das dürfte ein Grund dafür sein, daß bei Verzehr von Brot und Getreideprodukten ein erhöhtes Krebsrisiko besteht (Braly 2002, 105).
Insulinähnliche Wirkung. Weizenkeimagglutinine und andere Lektine üben auf Fettzellen eine ähnliche Wirkung wie Insulin aus. Sie binden an Insulinrezeptoren und aktivieren diese. Dadurch stimulieren sie die Glykogenbildung in den Muskelzellen (falls diese noch freie Kapazität haben) und die Fetteinlagerung in den Fettzellen. Folglich wird die Verfettung gefördert und die ohnehin starke glykämische Wirkung (steiler Anstieg des Blutzucker- und Insulinspiegels) einer Brotmahlzeit gesteigert, was gleichfalls die Fettspeicherung forciert, besonders im Bauchraum.
Chronische Entzündungen und Autoimmunreaktionen durch Agglutinine
Agglutinine binden sich an Glykoproteine und Glykolipide der Zellmembranen, verändern diese, so daß körpereigene Zellen als fremd identifiziert werden. Es setzen Immunreaktionen ein, es werden Antikörper gebildet und die Abwehrzellen attackieren schließlich das körpereigene, durch Agglutinine belastete Gewebe. Es werden somit chronische Entzündungen in den Geweben und Autoimmunreaktionen provoziert, die anfangs unmerklich verlaufen und später in eine Autoimmunerkrankung übergehen.
Die mitogenetische Stimulation von Lymphozyten (die vermehrte Bildung dieser Abwehrzellen) durch Agglutinine steigert die Aggressivität des Immunsystems gegenüber den eigenen Geweben, die durch ständige Belastung mit Agglutininen Ziel von Immunangriffen wird. Das kann bis zur völligen Zerstörung jener Gewebe führen, gegen die sich die Autoimmunreaktionen richten.
Das Immunsystem eines gesunden und jungen Menschen vermag aufgrund der Glykoproteine der Zellmembranen scharf zwischen körpereigenen Geweben und körperfremden Proteinen zu unterschieden. Die Abwehr richtet sich gegen körperfremde Proteine von Bakterien, Viren, Amöben, Pilzen und Fremdkörpern, die gezielt angegriffen und aufgelöst werden. Mit zunehmendem Alter und chronischer Belastung durch Agglutinine verwischen sich jedoch diese Unterschiede, es kommt vermehrt zu Autoimmunreaktionen und später auch zu Autoimmunerkrankungen. Mitunter können sich Autoimmunerkrankungen auch recht plötzlich einstellen.
Im Sinne der Gesundheitsvorsorge ist es ratsam, den Unterschied zwischen körpereigenen und körperfremden Proteinen nicht unnötig zu verwischen, indem Tag für Tag Agglutinine über Brot und Getreideprodukte zugeführt und über eine geschädigte Darmschleimhaut aufgenommen werden.
Agglutinine sind hitzeresistent, sie lassen sich nicht durch Kochen oder beim Backen von Brot zerstören. Sie widerstehen der Proteinauflösung bei der Verdauung und gelangen bei geschädigter Schleimhaut vom Darm ins Blut. – Selbst Kühe, die mit Getreide gefüttert werden, nehmen Agglutinine auf, wodurch sogar Milch und Milchprodukte belastet sein können (natürlich nur sie nur einen Bruchteil der Agglutinine, die über Vollkornbrot direkt zugeführt werden). Bei Kühen, die auf der Wiese weiden oder mit Heu gefüttert werden, ist keine Agglutininbelastung zu befürchten.
Auch die Samen von Hülsenfrüchten enthalten Lektine, die allerdings durch langes Kochen weitgehend zerstört werden. Grüne Bohnen, Buschbohnen und dergleichen zählen zum Gemüse und sind gekocht harmlos. Ebenso sind die Lektine in gekochten Kartoffeln unbedenklich.
Auch wenn viele Leser noch nichts von Agglutininen gehört haben, so sind diese und ihre gesundheitlichen Auswirkungen dennoch Gegenstand umfassender wissenschaftlicher Untersuchungen. Die Datenbank PubMed listet zu „wheat germ agglutinin“ 6700 wissenschaftliche Veröffentlichungen auf, über Lektine gibt es sogar 36300 Publikationen (Stand März 2014). – Wir können uns hier nicht weiter mit ihnen befassen, wir müssen den roten Faden wieder in die Hand nehmen.
Die Schadwirkung von Agglutininen auf die Darmschleimhaut
Werden Agglutinine bei der Verdauung von Brot und Getreideprodukten im Darm freigesetzt, heften sich Agglutinine zuerst an die Membranen der Darmschleimhautzellen und verursachen dort chronische Entzündungen und unter Umständen auch Autoimmunreaktionen, unabhängig davon, ob eine Unverträglichkeit gegenüber Gluten besteht.
Die Schleimhaut des Dünndarms besteht an ihrer Oberfläche aus einer einlagigen Schicht von Saumzellen, die dicht miteinander durch schmale Bänder aus Membranproteinen verbunden sind (tight junctions, was dichte Verbindung bedeutet und einer Schweißnaht ähnelt). Diese Bänder halten die Zellen in ihrer Lage, damit sie sich nicht verdrehen und die Mikrozotten (Mikrovilli) stets zum Darminneren ausgerichtet bleiben. Diese Bänder verschließen den Zellzwischenraum und bilden eine Barriere, so daß nicht unkontrolliert Proteinbruchstücke, Bakterien, Amöben, Viren und keine Giftstoffe aus dem Darm ins Blut gelangen. Die Nährstoffe müssen alle den Weg über die Saumzellen nehmen, kaum etwas kann zwischen den Zellen hindurchsickern.
Doch chronische Entzündungen und Autoimmunreaktionen in der Dünndarmschleimhaut, die durch Agglutinine, Gliadine, Glutenine oder andere Glutenbestandteile ausgelöst werden, führen zur Beschädigung und Auflösung dieser Bänder. Folglich wird die Darmschleimhaut durchlässig für Stoffe, die nicht vom Darm ins Blut gelangen sollen, etwa unvollkommen verdaute Proteinbruchstücke, die dann jedesmal allergische Reaktionen auslösen können. Auch Agglutinine, Gliadine und Glutenine selbst können auf diese Weise das Blut belasten. Ferner erhöht sich die Anfälligkeit zum Beispiel für Cholera, Ruhr oder Typhus, wenn der Darmtrakt mit den entsprechenden Bakterien infiziert ist. Chronische Entzündungen und Autoimmunreaktionen gegen die Darmschleimhaut, verursacht durch Brotverzehr, sind also eine folgenschwere Angelegenheit.
Aufgrund einer durchlässigen Darmschleimhaut (leaky gut) können sich vielfältige Nahrungsmittelallergien entwickeln, gegen Vollkorn- und Weißmehlprodukte, gegen Getreideprotein (Gluten), Milchprotein, Eier, Thunfisch, Haselnüsse, Walnüsse, Erdnüsse, Sojaprodukte, um nur einige zu nennen.
Eine durchlässige Darmschleimhaut führt jedoch auch dazu, daß übers Blut die Gewebe der inneren Organe mit Agglutininen, Gliadinen und Gluteninen belastet werden. Dann bleibt es nicht bei chronischer Entzündung und Autoimmunreaktionen in der Darmschleimhaut. Der ganze Organismus ist davon betroffen. In allen Geweben und Organen werden Alterung und degenerative Schädigung beschleunigt, besonders in jenen, die von Autoimmunreaktionen besonders erfaßt sind.
Concanavalin A ist giftig gegenüber den Zellen von Säugern (und auch von Insekten). Dies wurde im Tierversuch und mit Zellkulturen nachgewiesen. Die Giftigkeit von Concanavalin A beträgt etwa ein Tausendstel von Rizin und Abrin.
Zur Erläuterung: Rizin, ein äußerst giftiges Lektin, ist in den Samenschalen des Wunderbaums enthalten. Es hemmt die Proteinbildung und ist eines der stärksten Pflanzengifte überhaupt. Bezogen auf die tödliche Dosis ist es etwa zehnmal giftiger als das Gift der Kobra. Gelangt Rizin in den menschlichen Organismus, so bringt es die kontaminierten Zellen zum Absterben. Für eine tödliche Vergiftung eines Erwachsenen sollen 0,25 mg isoliertes Rizin oder zwei bis vier Samenkörner genügen. Isoliertes Rizin gilt als biologischer Kampfstoff. – Abrin, ein Lektin der Paternostererbse, hemmt die Proteinsynthese und zählt ebenfalls zu den gefährlichsten Giften überhaupt. Die tödliche Dosis wird je nach Verabreichung auf etwa 0,1 bis 1000 µg/kg Körpergewicht geschätzt.